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Deutsch oder nicht? Damit das im Alltag keine Rolle mehr spielt, startet der Bund ein Themenjahr gegen Rassismus.

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Jahr gegen Rassismus: Die alltägliche Diskriminierung nachweisen

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes will Menschen, die aufgrund ihrer ethnischen Herkunft benachteiligt werden, rechtlich stärken. Das Beispiel der Sinti und Roma zeigt jedoch, wie schwer das ist.

Diskriminierung ist oft eine Frage des Zugangs. Ob Ausbildung, Beruf, Diskothek oder Fitnessstudio: Menschen stehen immer wieder vor verschlossenen Türen, nur weil sie eine dunklere Hautfarbe oder keinen traditionell deutschen Namen tragen. Auch bei der Wohnungssuche haben es Menschen anderer ethnischer Herkunft schwerer. Das zumindest legen die Ergebnisse einer Forsa-Umfrage nahe, die am Montag von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Berlin vorgestellt wurde. Demnach sind 68 Prozent der Befragten der Ansicht, dass Menschen nicht-deutscher Herkunft bei der Wohnungssuche benachteiligt werden.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat man mit solchen Fällen Erfahrung: Regelmäßig meldeten sich hier Menschen mit ausländisch klingenden Nachnamen, die sich bei der Wohnungssuche benachteiligt fühlten, berichtet Leiterin Christine Lüders. Das Problem sei, die Diskriminierung nachzuweisen. Eine Möglichkeit böten sogenannte „Testings“: Dabei tauschen bereits abgelehnte Bewerber beispielsweise ihren türkischen Namen mit einem deutsch klingenden Namen und bewerben sich erneut auf dieselbe Wohnung. Haben sie nun mehr Erfolg, liegt der Verdacht der Benachteiligung nahe. Lüders will sich dafür einsetzen, dass ein solches „Testing“ künftig vor Gericht als Beweisführung akzeptiert wird.

Zudem fordert Lüders, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetzes auszuweiten: Dies gelte bislang nur für das Arbeitsleben und im Zivilrecht, nicht aber in Schulen, bei staatlichen Behörden oder der Polizei. Es sei ein „längst überfälliges Signal“, den Betroffenen den vollen Schutz auch im Umgang mit den staatlichen Institutionen zu gewähren, sagte Lüders. 

Viel Verachtung für Sinti und Roma

Mit dem Themenjahr „Gleiche Chancen. Immer.“ will die Antidiskriminierungsstelle in den kommenden Monaten verstärkt auf den Rassismus im Arbeitsleben und Alltag aufmerksam machen. Unterstützt wird die Kampagne von bekannten Botschaftern aus Sport, Medien und Musik, wie dem Fußballer Jerome Boateng, der Fernsehmoderatorin Arabella Kiesbauer und der türkischstämmigen Publizistin Kübra Gümügay.

Ein besonders Augenmerk richtet die Kampagne in diesem Jahr auf die Benachteiligung von Sinti und Roma. Sie stoßen ersten Ergebnissen einer Studie zufolge von allen Minderheiten in Deutschland auf die größte Ablehnung: Im Ansehen der Bevölkerung kämen sie noch hinter anderen Gruppen wie Juden und Asylbewerbern, sagte der für die Studie verantwortliche Vorurteilsforscher Wolfgang Benz. Schuld an der negativen Einstellung der deutschen Mehrheit trage auch die populistische Debatte um den vermeintlichen Ansturm bulgarischer und rumänischer Armutsmigranten auf das deutsche Sozialsystem, so Benz.  

Die Studie belegt auch, dass Sinti und Roma nicht nur wenig geachtete, sondern auch unbekannte Minderheiten sind: So wusste jeder fünfte Befragte nicht, dass sie während des Nationalsozialismus verfolgt wurden; unter den 25- bis 34-jährigen ist sogar fast jedem Dritten der Völkermord unbekannt. Das Beispiel zeige, dass die Benachteiligung von Sinti und Roma auf den Lehrplan von Schulen und Universitäten gehöre, sagt Daniel Strauß vom Landesverband Deutscher Sinti und Roma in Baden-Württemberg. Gerade die Sinti seien in Europa über Jahrhunderte hinweg massiv ausgegrenzt worden und viele erlebten Diskriminierung heute noch als Normalität, berichtet Strauß. Statt sich zu wehren, fügten sie sich ihrem Schicksal: „Wenn jemand wegen seiner Herkunft aus seiner Wohnung fliegt, klagt er nicht dagegen, sondern sucht sich halt eine neue Unterkunft.“ 

Sebastian Drescher

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